Gastbeitrag von Nicole Hartmann
Camille Keiffer alias Comper, war ein frühes Mitglied und 1900 der erste nachgewiesene Präsident des AV d’Letzeburger. Er hinterliess auch ein Fotoalbum, das für die Frühgeschichte des AVL sehr interessant ist.
Leben
Herkunft und Kindheit
Jean-Camille Keiffer wird am 10. Juni 1879 in Luxemburg-Stadt geboren. Seine Eltern sind Jean Pierre Keiffer (* 12. Juli 1847 Echternach/Lux., † 10. September 1916 Tihange bei Lüttich/Belgien) und Anne-Catherine Victorine Rolloff (* 15. Januar 1850 Hosingen/Lux., † 17. Januar 1910 Eich/Lux.). Sein Vater arbeitet als Buchhalter, später als Geschäftsführer bei der „Brasserie d‘ Eich“. Mit seinem älteren Bruder Arthur wächst er in Eich auf. Mutmaßlich ging er, wie sein älterer Bruder, in die Schule von Weimerskirch, Gemeinde Eich. Später ist er gemeinsam mit dem Bruder in ein privates Gymnasium in Reims gegangen. Am 25.03.1899 ist im Luxemburger Wort zu lesen, dass „Camille Keiffer v. Eich“ die „höheren Curse des Athenäums“ im Wintersemester besucht hat.
Student in Aachen
Camille schreibt sich in Aachen im Wintersemester 1899/1900 zum Studium der Elektrochemie ein und erhält die Matrikel-Nummer 1566.
Der Familienüberlieferung nach ist Camille auch Mitglied einer Freimaurerloge gewesen. Leider konnte dies bislang weder verifiziert noch falsifiziert werden.
Schon mit Studienbeginn stößt Camille zu den Lëtzeburgern. Seine Mitgliedschaft können wir schon für das Wintersemester 1899/1900 belegen. Es hat sich nämlich sein Bierzipfel erhalten, den der junge Student von seinem Leibburschen erhält. Er trägt die Aufschrift: L. Dondelinger s.l. C. Keiffer z.f.E. Aachen W.S. 1899/1900. Außerdem können wir aus dem Bierzipfel ersehen, das Léon Dondelinger sein Leibbursche war.
Camilles Biername ist „Komper“. Viele der erhaltenen Fotos haben die Bildunterschrift „Camille Keiffer al. Komper“. Es ist ein altes, heute nicht mehr geläufiges luxemburgisches Wort und bedeutet so viel wie „Kumpel“ und ist vom französischen Wort „Compagnon“ abgeleitet.
Bereits im nächsten Semester, dem Sommersemester 1900 ist Camille zum Fuchsmajor ernannt worden. Seine Aufgabe war es, die neuen Füchse zu betreuen. Belegt ist dies durch eine Widmung auf einem Foto, dass ihm Victor Mersch überreicht hat. Von dem gleichen Foto wissen wir, dass Camille schon im darauffolgenden Semester (Wintersemester 1900/01) Präsident ist. Somit ist Camille der erste nachgewiesene Präsident der Lëtzeburger. Aus diesem Semester findet sich in Camilles Nachlass auch ein Gruppenbild . Als Präsident ist er, wie auf auffallend vielen Bildern der Lëtzeburger, in der Bildmitte platziert. Sein Leibbursche Léon Dondelinger sitzt in der ersten Reihe rechts. Weitere Bildbelege für sein Amt als Präsident auch im darauffolgenden Semester finden sich hier: Camille als Erstchargierter im Sommersemester 1901 oder früher und als Erstchargierter im Sommersemester 1901 sowie auf dem anlässlich des 5. Stiftungsfestes erfolgten Fotos der Fahnen- und Wappenweihe am 29. Juni 1901.
Camille steht in der Bildmitte direkt hinter dem Wappen und hält die Fahne. Ebenso wie zwei weitere Studenten (Nicolaus Raus und Léon Dondelinger, letzterer rechts neben ihm stehend) hat er eine Schärpe in den Vereinsfarben rot-weiß-blau.
Die Lëtzeburger verfügen über ein weiteres Gruppenbild aus Camilles Studienzeit: Es ist von 1903. Camille sitzt auch hier an disponierter Stelle (Nr. 8). Offensichtlich gehörte er noch zu den engagierteren Mitgliedern der Verbindung. An seiner Seite sitzt sein Leibbursche Léon Dondelinger (Nr. 9).
Einer seiner Studienfreunde, Alphonse Wagener, hat am 4. Mai 1962 als über Achtzigjähriger einen Artikel im „Luxemburger Land“ veröffentlicht, in dem er auch von seinen Aachener Erlebnissen erzählt:
“Der „akademische Verein“ bezweckte die Pflege der Kameradschaft, die Unterstützung beim Studieren, jedoch selten mit Geld, denn davon hatte keiner zu viel, und die Unterhaltung. Diese wurde gefördert auf der „Kneipe“, welche in regelmäßigen Abständen gewöhnlich samstags abends abgehalten wurde, wo Lieder gesungen und harmloser Ulk gemacht wurde. Öfters kam es auch zu gemeinsamen Spaziergängen in die herrliche Umgegend. So ließen wir uns nach einem solchen Spaziergang in der „Hammonia“ (dem Aachener „Knopf“) zu sieben Mann konterfeien. Von diesen sieben lebt heute seit 1939 (seit 1940, die Verfasserin) nur mehr einer, der Sitzende.
Der „Comper“ zeichnete sich auf der Kneipe des Öfteren aus durch seine Dichtkunst. Nachstehend ein Exempel:
„Ein Magdelein von 18 Jahren, die kam zum ersten Mal,
mit ihren schünen schwarzen Haaren froh zu der Wilhelmshall.
Da kann der W.. nesch nekel, der böse lange Mann,
Und kaum tut er sie hier erblicken, flugs rempelt er sie an.
Und als sie sollten nach Hause gehen, da nahmen sie eine Kutsch.
Und was auch drinnen konnt geschehen, die Renommée ist futsch.
Und die Moral von der Geschichte: trau keinem W..ner,
Und war er auch vom Siechenhöfchen, trau ihm noch weniger.“1”
Das war richtige Jugendstimmung!”
Das Vordiplom/Vorexamen besteht Camille im 10. Mai 1902 . Offensichtlich haben die Studenten vor dem 1. Weltkrieg auch weitreichende Beziehungen. Es hat sich eine Postkarte von 1903 adressiert an „cand. chem. Keiffer“ erhalten, die ein Ingenieur aus Moskau schreibt. Er redet Camille mit „lieber College“ an.
Eine weitere Postkarte an Genty Wagner von 1907 tragen die Unterschriften sowohl der “Comper” als auch die Unterschrift “Tilgenkamp”, vermutlich seine spätere Frau Emma. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon “Alter Herr”.
Am 21. Juni 1906 bekommt Camille von der Prüfungskommission für Chemiker der Abteilung für Bergbau und Hüttenkunde für Chemie und Elektrochemie sein Diplom verliehen. Er erhält dadurch den Grad eines Diplom-Ingenieurs. Auch dies meldet die Obermosel-Zeitung einige Tage später, sogar ein weiteres Mal . “Herr Kamill Keiffer von hier, jetzt Geschäftsführer in der Bierbrauerei in Eich, hat in Aachen die Schlußprüfung als Diplomingenieur mit der Note gut bestanden.”
Durch eine noch existierende Postkarte an die Familie seines Bruders ist überliefert, dass für ihn eine Examens-Kneipe stattfand.
Camille und Emma Tilgenkamp
Auguste Luise Emma Tilgenkamp wird am 5. Juli 1875 in Eupen (damals Deutschland, heute Belgien) geboren. Ihre Eltern sind der Buchdrucker und Zeitungsbesitzer Friedrich Gernreich Julius Tilgenkamp (* 9. Januar 1843 Eupen, † 15. Juni 1907 Eupen) und seine Ehefrau Emma Theresia Hubertina Bornes (* 25.01.1842 Eupen, † 21. April 1920). Emma ist das Vierte von fünf Kindern des Paares.
Vom 1. März 1886 bis 1891 besucht sie die höhere katholische Töchterschule auf dem Haidberg (heutige Schreibweise: „Heidberg“) in Eupen. Von Ostern 1893 bis Mai 1894 besucht sie die Unterrichts- und Erziehungsanstalt Marienau zu Vallendar (bei Koblenz), um „ihr Studium für das höhere Schulfach“ fortzusetzen. Am 12. Mai 1894 besteht sie ihre Prüfung als „Schulamts-Bewerberin“ vor der königlichen Prüfungskommission in Münster/Westfalen.
Über ihre Tätigkeit als Lehrerin sind nur wenige Einzelheiten bekannt. Sie lehrte mindestens vom 23.02.1896 bis zum 15.08.1997 in Bonn und mindestens vom 09.08.1898 bis zum 29.03.1899 in Detmold.
Wann und wo Emma und Camille sich kennengelernt haben ist nicht überliefert. Sicher ist aber: Camille und Emma kannten sich bereits im Mai 1902. Das belegt eine erhaltene Postkarte. Sie heiraten am 25. Juni 1909 in Eupen. Ihr einziges Kind Marie-Thérèse Victorine Irène Keiffer wird am 30. Oktober in Nancy/Frankreich geboren.
Berufsleben
Über Camilles Arbeitsleben ist wenig überliefert und muss soweit möglich aus erhaltenen Unterlagen und Erzählungen rekonstruiert werden. In dem bereits erwähnten zweiten Bericht der Obermosel-Zeitung am 29.06.1906 über das Bestehen der Schlussprüfung heißt es „Kamill Keiffer…jetzt Geschäftsführer in der Bierbrauerei in Eich…”. Geschäftsführer der Bierbrauerei in Eich ist jedoch eigentlich sein Vater Jean-Pierre. Inwieweit Camille also dort tatsächlich vorübergehend oder länger arbeitete ist nicht geklärt.
Erst 1908 ist ein weiterer Arbeitsplatz von Camille in Dommeldingen (im Stahlwerk?) belegt, einem Vorort von Eich, 4 km von seinem väterlichen Wohnsitz entfernt. Denn am 04.08.1908 schreibt sein Vater Jean-Pierre an Camilles Bruder Arthur: „Da Camille noch nicht in Dommeldingen gekündigt hat…
Anfang August 1908 sagt man ihm eine Stelle als Direktor von Pompey zu. Pompey liegt zwischen Pont-à Mousson und Nancy in Frankreich. Zunächst wird als wahrscheinlicher Eintrittstermin der 15. September 1908 in Erwägung gezogen. Tatsächlich hat er dann am 1. Oktober 1908 dort angefangen als Direktor zu arbeiten.
Auch dieses Ereignis findet sich in der Obermosel-Zeitung wieder: “Luxemburger im Auslande. Ingenier Kamill Keiffer, ein Sohn des Brauereidirektors von Eich, ist zum Direktor der Schlackenwerke in Pompey (Frankreich) ernannt worden. Unsere besten Glückwünsche!” Vermutlich ist dies der Anlass für seine Wohnsitzverlegung nach Nancy. Seit dem 1. August 1908 ist er offiziell Einwohner von Nancy.
Bei der Hochzeit im Juni 1909 bezeichnet Camille sich als Direktor, er ist also offensichtlich noch in Pompey tätig. Wann Camille die Arbeitsstelle in Pompey aufgab und selbständig wurde, ist nicht bekannt. Familienüberlieferungen besagen, dass Camille “im Lokomotivbau- oder Verkauf arbeitete”, dass er “der Vertreter der Eisenbahn war oder Lokomotiven verkauft hat” bzw. dass er als „unabhängiger Ingenieur“ arbeitete und in Nancy sein Büro hatte.
Weiteren Aufschluss geben uns einige erhaltene Stempel, Briefköpfe und Postkarten.
“Camille Keiffer, Ingénieur diplomé, bureau technique, office de brevets, Nancy”
“bureau technique, office international de brevets, Camille Keiffer, Ingénieur diplomé, Nancy, 13, Rue Baron-Louis, 13. Placement et Exploitation de Brevets
Force motrice de tout Genre
Produits Miniers et Industreils
Instruments de Précision, etc.
Adresse télégraphique: Keiffer-Nancy”(Technisches Büro, Internationales Patentbüro, Camille Keiffer, Diplom-Ingenieur, Nancy, 13, Rue Baron Louis, 13
Plazierung und Nutzung von Patenten
Motorkraft aller Arten
Bergwerk- und Industrieprodukte
Telegraphenadresse: Keiffer-Nancy”
Im August 1920 ist Camille im Besitz eines für ein Jahr gültigen Ausweises für Handelsreisende und –vertreter für die Firma „Raffinerie de Corps Gras Sa Semeuse, Felix et Maurice Hayem mit Sitz in Paris, 11 rue Scribe. (“Carte d´identité professionelle à l´usage des voyageurs et des réprésentant de commerce”, ausgestellt in Nancy im August 1920). Leider wissen wir nicht welche Produkte Camille für diese Firma vertrieben hat.
Ein Geschäftspartner von Camille war der Fabrikant und Tongrubenbesitzer Leonhard Hagenburger (* 28.11.1871 Hettenleidelheim, † 01.01.1942 Ludwigshafen), der spätere Schwiegervater seiner Tochter Irène. Camille war Vertreter in Frankreich für die Chamotte-Industrie Hagenburger-Schwalb AG, Hettenleidelheim/Pfalz. Dies belegen eine Werbepostkarte, die “Nos briques alumineuses spéciales »Durit«” (Unsere Spezialbacksteine „Durit“) anpreist sowie Camilles geschäftliches Briefpapier von 1936:
“Chamotte-Industrie Hagenburger-Schwalb A.-G. Hettenleidelheim, Palatinat-Rhénan
Représentant pour la France: Camille Keiffer, Ingénieur-Civil, Nancy (M. et M.), 45, Place de la Carrière, 45”
“Prière d’adresser les demandes de prix à notre bureau de Nancy (M. et M.): Mr. Camille Keiffer, Ingénieur-Civil, 45, Place de la Carrière, 45, Nancy”
“Chamotte-Industrie Hagenburger-Schwalb A.-G., Hettenleidelheim, Palatinat
Camille Keiffer, Ingénieur-Civil, Agent général, 45, pl. Carrière, Nancy, Registre Commerce Nancy 1239
Adresse télégraphique: Keiffer Carrière 45 Nancy
Der letzte Briefkopf, der sich erhalten hat, ist von März 1940. Hier ist jetzt nur noch von einer „Agent régional“, also einer Regionalagentur die Rede.
Nach Unterlagen des Südriedhofs in Nancy stirbt Camille am 25. Juli 1940 um 15.30 Uhr in Nancy. Es existiert allerdings noch die Quittung eines Beerdigungsinstitutes in Nancy. Sie besagt, dass Frau Keiffer am Donnerstag, den 25. Juli 1940, die Kosten für Lieferungen für den Trauerzug von Herrn Jean Camille Keiffer bezahlt hat. Es ist unklar, ob sich die handschriftliche Notiz darauf auf Camilles Versterben oder auf Camilles Beerdigungsdatum bezieht.
Emma wird nach Hettenleidelheim zu Leonhard Hagenburger und Katharina geb. van Recum (* 20.07.1873 Hettenleidelheim , † 19.05.1960 Hettenleidelheim), den Eltern ihres Schwiegersohnes, gebracht und verlebt dort ihre letzten Lebenswochen. Sie stirbt wenige Wochen nach ihrem Mann, am 24. August 1940 in Hettenleidelheim/Pfalz.
- Gemeint war Nicolas Wagner, der vom Siechenhof war. [↩]